Stellungnahme zum Bebauungsplanentwurf 143, „westliche Nedlitzinsel“
Frühzeitige Beteiligung
Der Entwurf zur Bebauungsplanung der westlichen Nedlitzinsel hat für starke Unruhe im Ortsteil Neu Fahrland gesorgt und spontan zur Gründung einer Bürgerinitiative geführt.
Kritik:
1. Neu Fahrland wird mit der Planung ein Zentrum oktroyiert, das es historisch nie gab und das an dieser Stelle nur in den Köpfen der Potsdamer Stadtplaner zu bestehen scheint. Dieses „Zentrum“, das durch die Entwurfsplanung entstehen soll, kann aufgrund der hohen baulichen Verdichtung gerade keinen sozialen oder wirtschaftlichen Mittelpunkt des Ortsteils bilden. Öffentlicher Raum wird kaum geschaffen. Die öffentlichen Flächen, die den hohen Wert der Insel mit ihren Natur- und Kulturschätzen erlebbar machen könnten, sind erheblich zu klein und planerisch nicht gestaltet. Damit erreicht die Planung genau das Gegenteil der behaupteten Funktion eines Ortsteilzentrums, das im Ergebnis eher abweisende wirkt.
2. Die geplante Bebauung führt zu einer höheren Verdichtung als in weiten Teilen des Innenstadtgebietes. Durch 4-5 geschossige Riegelbebauung (uE ist ein Staffelgeschoss auf der Grundlage der Baugesetzgebung zusätzlich möglich) wird der Maßstab der denkmalgeschützten Bebauung vollständig aufgegeben. Es entstehen massive Baukörper, die ausschließlich den Zweck haben, Investoren zu bereichern. Damit wird die Fremdkörperwirkung der bestehenden Riegelbauten der Ostseite in absurder Weise verstärkt. Bereits hier stehen die Neubauten in schroffem Gegensatz zu der gewachsenen Vorortbebauung und dem geplanten Bürgerpark. Schon heute steht die baurechtliche Situation der Ostseite der Insel sowie die bisherige Genehmigungspraxis in der öffentlichen Kritik. Das historische Eingangstor nach Potsdam, das durch die Persiusbauten geprägt wird, ließe sich durch sensible Gestaltung der Insel wiederherstellen. Die Planung lässt demgegenüber trabantenstadtähnliche Baukörper entstehen, die die denkmalgeschützten Wirtschaftsgebäude des Fährgutes überragen und optisch schlucken. Der südliche Rand des Denkmalbereiches hat nur einen minimalen Abstand zur Neubebauung. Die Erlebbarkeit des prägenden kulturhistorischen Ensembles im Potsdamer Norden wird damit dauerhaft in hohem Masse eingeschränkt. Hier wäre ein Abstand von mindestens 30 m erforderlich, um allein die optische Wahrnehmung zu erhalten.
3. Es ist nicht einzusehen, warum die städtebauliche Verdichtung Potsdams ausgerechnet entlang der B2 erfolgen muss. Die Erhöhung von berufs-und freizeitbedingtem Verkehr durch die Wohnbebauung an dieser Stelle ist vor dem Hintergrund der städtebaulichen Ziele mehr als irritierend. Die B2 ist schon jetzt an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Bei nur 5 Verkehrsbewegungen pro Tag und Wohnung (An- und Abfahrt) wird die Verkehrsbelastung der Bundestraße um rund 1.000 Fahrzeuge erhöht. Dies entspricht allein aufgrund der angestrebten Neubebauung einer Steigerung um 5 %. Vor dem Hintergrund der Krampnitzplanung ist der Kollaps vorprogrammiert. Als verkehrspolitisch gravierender ist darüber hinaus die Tatsache zu bewerten, dass die Ausfahrten an der engsten und am schlechtesten einsehbaren Stelle der Bundesstrasse erfolgen. Statt Bebauung in zweiter Reihe zuzulassen, die eine fliessende Zuführung des Verkehrs auf die B2 an geeigneter Stelle zuließe, werden sich täglich hunderte von Fahrzeugen in unmittelbarer Nähe einer S-Bahn-Haltestelle in den Berufsverkehr drängen. Auch die gegenseitige Behinderung von S-Bahn und Kfz ist jetzt schon gesetzt.
4. Der Landsschaftswert der Neditzinsel wird unwiederbringlich zerstört. Historisch wurde die Insel durch das Gartenland des Fährgutes geprägt. Der komplizierte Umriss der Nedlitzinsel mit ihrer Lage an weiten offenen Gewässern zu zwei Seiten und an natürlichen und künstlichen Kanälen auf den übrigen Seiten ist selbst in der vielgestaltigen Havellandschaft einmalig. Dem Bewohner Neu Fahrlands wie dem durchreisenden Nutzer der B2 wird dieser landschaftliche Höhepunkt Richtung Westen gerade durch die Abwesenheit störender Bebauung in vollem Umfang erschlossen. Eine einfache naturnahe Bepflanzung, die ohne parkähnliche Pflege auskommt, könnte diesen Eindruck verstärken und das Kleinod Nedlitzinsel zu einem würdigen Eingangstor zum Potsdamer Norden machen. Demgegenüber schließen die geplanten Riegel jede Blickbeziehung zu den umliegenden kleinteiligen und eindrucksvollen Landschaftselementen aus, die die besondere Prägung des Umlandes ausmachen.
5. Die enge Verbindung des Fährgutes als Blickfang und dem naturbelassenen Umfeld ist an kaum einer Stelle in der Potsdamer Landschaft so ausgeprägt wie auf der Nedlitzinsel. Eine parkähnliche Gestaltung - wie sie sonst in Potsdam typisch ist - hat hier gerade nicht stattgefunden. Das Denkmalensemble ist als point de vue errichtet worden und entfaltet seine landschaftlich prägende Wirkung allein durch die umgebenden Freiflächen, die das Fährgut heute umgeben. Diese sind in vollem Umfang zu erhalten.
6. Die Lage in der Pufferzone zum Weltkulturerbe gebietet per se höhere Sensibilität im Umgang mit Baumassen.
7. Die Riegelbebauung in Kombination mit der geplanten und bestehenden Bebauung auf der Ostseite der B2 führt zu einer Tunnelwirkung, die nicht nur das Blickfeld einschränkt, sondern auch die Wanderung innerhalb der heimischen Fauna behindert. Das Umweltgutachten weist an dieser Stelle Defizite auf, die kaum nachzuvollziehen sind und geradezu auf sachfremde Erwägungen hindeuten. Ausdrücklich wird das Ziel definiert, die Bebauung solle für die lokale Tierwelt keine zerschneidende Wirkung haben. Tatsächlich ist aufgrund der unmaßstäblichen Bebauung aber eine größtmögliche Separierung der Habitate zu befürchten. Die Insel ist Brut- Rückzugs- und Jagdgebiet von Eisvögeln und Nachtigallen. Die Bebauung macht die Überwindung der B2 für diese Tierarten kaum mehr möglich.
8. Es ist nicht verständlich, warum das Umweltgutachten nicht die Wirkung der Bebauung auf die umliegenden Habitate schutzwürdiger Arten untersucht. Die Insel ist ständiger Rückzugort der hier beheimateten Fischadler. Es dürfte keine Frage sein, dass allein der hohe Zivilisationsdruck im Jagdrevier sowie die höhere Unnruhe im Brutgebiet die Abwanderung der Brutpaare herbeiführen könnte. Dies gilt umso mehr als gerade die Krampnitzplanung ebenfalls zu hoher Stressbelastung der Vögel führen wird, da das Brutgebiet von mehreren Seiten durch innenstadtähnliche Bebauung begrenzt wäre. Der Verlust der Adler als Brutvögel wäre unerträglich.
9. Der Entwurf steht in krassem Widerspruch zum Landschaftsplan. Die Details erschließen sich jedem Leser ohne weiteren Kommentar.
10. Der Plan missachtet wichtige Grundsätze der Raumordnung. Hiernach sollen verdichtete Baugebiete entlang der Berliner Ausfallachsen entwickelt werden. Die B2 ist demgegenüber nicht nur der Hauptzugang zur Potsdamer Insel, sondern in einem gedachten Radialsystem um Berlin eine Querverbindung zwischen den Ausfallachsen. Gerade mit dem Ziel weiteren Autoverkehr im Berliner Umland zu vermeiden, sollen diese „Speichen“ entlastet werden. Im Ergebnis ist die Planung auch aus ökologischer Sicht unverständlich.
Mit freundlichen Grüßen
Marion Hebborn
Bürgerinitiative „Rettet die Nedlitzinsel“